Morgen-ist-eh-alles-zu-spät erreicht den Hof um die Mittagszeit, parkt sein Auto auf der Rasenfläche vor der Scheune und steigt aus. Die Wohnwagenruine steht unverändert da wie das Mahnmal eines sinnlosen Krieges. Morgen-ist-eh guckt zu Khalils Zirkuswagen – dort ist alles in Ordnung – und während er sich an den Brombeerbüschen vorbei zum Eingang des Wohnhauses begibt, macht er sich durch rufen bemerkbar. Er sieht ein schwarzes altes Herrenrad mit hohem Rahmen an die hintere Hauswand gelehnt; das wird Johanns sein. Also muss der Pflanzenesser da sein! Morgen-ist-eh klingelt, doch wieder tut sich nichts. Beunruhigt umrundet der Mann das Haus, späht durch die Fenster in die Räume, schaut, ob irgendeines offen steht, vielleicht das vom Bad, doch alle sind verschlossen. So steht er wieder vor der Haustür, rüttelt an dem Griff, drückt versuchshalber etwas fester, und da öffnet sich die Tür! Morgen-ist-eh-alles-zu-spät steht einen Moment da, den Griff mit der Hand umklammert haltend, zögert er. Schweiß bildet sich auf Stirn und Handinnenfläche. Dann macht er einen Schritt vorwärts, hinein in das Halbdunkel der Diele, wartet, bis seine Augen sich an das Zwielicht gewöhnt haben. Ein unangenehmer Geruch zieht ihm in die Nase, und dann ist da noch dieses merkwürdige Summen… Morgen-ist-eh tastet mit der linken Hand die Wand links neben dem Eingang nach einem Lichtschalter ab, wird fündig, drückt den Schalter.
An der Decke ist irgendwann einmal ein Kronleuchter angebracht worden, der nun den Raum erhellt, und alles, was sich darin befindet, erkennbar werden lässt. Die alten Schränke, den Tisch voll mit Zeitschriften, den Perserteppich, auf dem, mit dem Gesicht nach unten, Johann der Pflanzenesser liegt. Und die Trauben von Fliegen, die sich an dem getrockneten Blut gütlich tun. Fett und schillernd hocken sie da, lassen sich nicht von dem Licht stören, im Gegensatz zu den zwei Ratten, die eilig davonhuschen. An der rechten Hand des Toten sind der kleine und der Ringfinger bis zum Handknochen weggefressen.
Morgen-ist-eh-alles-zu-spät dreht sich um, lässt die Tür wieder in ihr Schloss fallen, und übergibt seinen Mageninhalt in die Brombeerbüsche. Eine Weile steht er da, zitternd, bis er es schafft, Rotz und Tränen mit einem Taschentuch aus seinem Gesicht zu wischen. Irgendjemand war da gewesen. Wahrscheinlich die Selben, die… Und nun? Wussten sie, wo sich Khalil aufhält? Hatte Johann geredet, bevor sie ihn… Er musste los und die anderen warnen. Er musste von da weg! Morgen-ist-eh tappelt den schmalen Weg entlang, unter dem gemauerten Torbogen hindurch, vorbei an dem ausgebrannten Wohnwagen, hin zu seinem Citroën. Und da sieht er, wie sich ein Wagen nähert, seine Fahrt verlangsamt und schließlich hält. Morgen-ist-eh-alles-zu-spät ist stehengeblieben, starrt auf das Fahrzeug, denkt eine Sekunde daran, ins Haus zurückzulaufen oder zu fliehen, aber…nein, das erscheint ihm sinnlos.
Er sieht, wie auf der Beifahrerseite eine Frau aussteigt, dann der Fahrer. Das Gebärdesprachenpärchen, kommt es ihm als Erstes in den Sinn; die Killer von dem ominösen Mr. ABAW sind zurückgekehrt. Wenn er sich unwissend stellte, würden sie ihm vielleicht nichts tun, er sei nur aus reiner Neugierde…
„Hallo, können Sie uns vielleicht weiterhelfen? Wir sind auf der Suche nach einem Freund.“ Morgen-ist-eh geht auf die Beiden zu, bewegt seinen Kopf hin und her. „Tut mir leid, ich bin nicht von hier. Ich kenne hier auch niemanden.“ Schon ist er an dem Paar vorbei und bei seinem Auto. Der Fahrer des Wagens sagt etwas zu der Frau, über das Autodach hinweg, stellt ihr eine Frage. „Bist Du sicher, dass es dieser Ort gewesen ist, den Hübsch-Dich-zu-sehen Dir genannt hat?“ Und die Frau erwidert ja, sie habe zur Sicherheit den Ort noch einmal wiederholt. Nun ist Morgen-ist-eh-alles-zu-spät nicht als ein langsam denkender Mensch zu bezeichnen, aber es braucht eine Weile, bis er in seinem Kopf die Puzzleteile zu einem Bild zusammengesetzt hat, welches ihn darauf hinweist, dass es sich sehr wahrscheinlich nicht um Neila und Lyndon handelt. Aber: wer sind die Beiden nun wirklich? Als der Mann die Befürchtung äußert, dass hier die Gehilfen seines Vaters bereits tätig gewesen wären, nimmt Morgen-ist-eh seinen Mut zusammen und setzt alles auf eine Karte: „Das ist vorgestern gewesen. Jemand hat den Wohnwagen in Brand gesetzt, wohl im Glauben, dass es der von Khalil ist…“
„Sie kennen Khalil?“ wird er von der Frau gefragt, was von ihm mit „ich habe ihm ein bisschen beim Verlegen der Rohre geholfen“ beantwortet wird. Und jetzt will Morgen-ist-eh endlich wissen, mit wem er es zu tun hat. „Oh, stimmt, wir sollten uns miteinander bekannt machen! Er hier heißt Elias und ist der Vater meiner Tochter. Mein Name ist Susha.“ „Susha von den Drei Ebenen?“ fragt Morgen-ist-eh nach, gerade so, als würde er mehrere Sushas kennen. „Dies ist mein vollständiger Name, ja.“ Da zieht er seinen Hut, verbeugt sich, und spricht in etwa jene Worte, die er vor zwei Tagen bereits an Georgina gerichtet hat. Susha reagiert mit würdevollem Nicken, ganz Ihre Majestät. Auch Elias wird mit einer knappen Verbeugung bedacht. „Dürfen wir auch Ihren Namen erfahren?“ „Selbstverständlich, ich heiße Morgen-ist-eh-alles-zu-spät.“ „Was für ein lustiger Name.“ Diese Äußerung Sushas lässt den Mann etwas pikiert dreinschauen, und auch ihre Reaktion auf seine Worte „ich komme auch in der Geschichte vor“ fällt nicht so aus, wie er es sich vielleicht vorgestellt hat. „Welche Geschichte?“ „Na, die Geschichte…von Khalil?“ Schulterzucken.
Elias, der mittlerweile etwas ungeduldig geworden ist, interveniert: „Wissen Sie denn, wo sich Khalil jetzt aufhält?“ Ja, das weiß der Mann, und er berichtet in groben Zügen von den Geschehnissen der letzten Tage. „Gut. Dann schlage ich vor, dass Sie Susha zu dem Hof mitnehmen. Ich muss da ja nicht unbedingt dabei sein.“ Susha wendet sich Elias zu, verständnisvoll, wissend. „Du brauchst Deinen nächsten Schuss, oder?“ Der Angesprochene weicht den Blicken der Frau aus, nickt kaum merklich. Während Morgen-ist-eh-alles-zu-spät, sich über die Tragik dieser Aussage bewusst werdend, dennoch seine nächste Frage formuliert: „Wissen Sie…wisst ihr, wo sich eure Tochter aufhält?“ Er sieht beide verneinend ihre Köpfe bewegen, bleibt jedoch in einem positiven Modus. „Auch das wird sich finden. Eins nach dem anderen. Fahren wir erstmal los.“ „Wir nehmen noch Jemanden mit.“ Susha geht zu Elias’ Wagen, nimmt den Korb mit Jackie heraus, wendet sich Elias zu. „Du kommst mich doch wieder besuchen?“ „Ja, ja klar.“ Aber die Frau spürt, dass er in Gedanken jetzt nur bei der Shore ist. Seufzend wendet sie sich von ihm ab, geht zu Morgen-ist-eh, der ihr bereits die Tür aufhält, stellt den Katzenkorb auf die Rückbank, steigt ein. Morgen-ist-eh-alles-zu-spät ruft Elias noch die Adresse des Hofes zu, dann setzt er sich hinter das Steuer und startet den Wagen.
Eine Zeitlang sitzen die beiden Menschen schweigend nebeneinander, dann fragt Susha, woher er Khalil kennt. „Durch Mikesch, den Treckernomaden. Alexander Tagthetruth hatte damals zu uns Kontakt aufgenommen, um den Moment der Stille herbeizuführen.“ „Ah, ja, der sagt mir was. Er hat den Kontakt zu Diego hergestellt, als George, Georgina und Khalil sich im Keller versteckt hielten.“ Morgen-ist-eh fragt nach, um was für einen Keller es sich da handelt. Georgina hatte ihn bereits erwähnt. Der Keller, erklärt ihm Susha, hat zu dem Haus vom ersten Teil der Traumwelt gehört.
„Dann ist Alexander also auch…so ein Traumwandler, oder wie das jetzt heißt?“ „Ja…und nein. Er war nur kurz da, um die Nachricht an D.B. zu überbringen.“ Morgen-ist-eh nickt. „Aber viel gebracht hat es damals wohl nicht, wenn sie jetzt wieder hinter euch her sind.“ „An all dem ist dieser Mister Abaw schuld!“ „Sie kennen ihn?“ „Ja. Klar. Er ist der Vater von Elias.“ Es dauert wieder eine Weile, bis der Groschen fällt bei dem Mann. „Ja, ich erinnere mich! Sie haben damals Besuch erhalten von einem jungen Mann. Und da steht, sein Name war Elias!“ „Steht in der Geschichte?“ „Ja. Genau.“
„Und von wem ist diese Geschichte?“ „Von Khalil.“ „Ach? Ich glaube, die kenne ich jetzt nicht.“ Owei, denkt Morgen-ist-eh-alles-zu-spät, jetzt hab ich was… aber wieso? Wussten sie denn nichts von der Geschichte?
„Mister Abaw ist der Ahriman.“ Damit kann Morgen-ist-eh nun nichts anfangen, fragt aber auch nicht nach. Nach einer Fahrt über Landstraßen, die sie durch immer dünner besiedelte Gebiete mit kleinen Wäldern, Äckern und Wiesen führte, erreichen sie den Hof des Gewürzhändlerpärchens. Susha entsteigt dem Wagen, zieht ihre Schuhe aus und stellt sich auf das Kopfsteinpflaster, die Augen geschlossen haltend. Ihre Arme hat sie angewinkelt, die Handflächen nach oben gekehrt. Alles-zu-spät ist ebenfalls ausgestiegen, betrachtet schweigend die Frau, bis sie ihre Augen wieder öffnet, und ihn mit einem strahlenden Lächeln anschaut. „Das hier ist ein Kraftort!“ Der Mann nickt und ergänzt, dass sie sich hier in einem Freistaat befänden, was Susha jedoch nichts sagt.
„Gibt es hier Hunde?“ wird von ihr gefragt, was verneint wird. „Aber ein Kater läuft hier herum.“ „Das ist okay, denke ich.“ Susha holt den Korb von der Rückbank und öffnet ihn. Jackie springt heraus und beginnt, die neue Umgebung zu inspizieren. Ihr Interesse hält nur kurz an, dann umstreift sie maunzend die Beine der Frau. „Oje, sie hat Hunger! Und ich habe nichts dabei.“ „Tja, dann wollen wir mal schauen, ob jemand zuhause ist.“
Der Mann mit dem Namen Hans hat den gesuchten Ort gefunden, den Wagen auf dem der angemieteten Wohnung zugehörigen Parkplatz abgestellt, holt das von Neila ihm überreichte Schlüsselbund aus der Innentasche seiner Jacke, geht den Kiesweg entlang und schließt die Haustür auf. Im Treppenhaus nimmt er zwei Stufen auf einmal, erreicht den zweiten Stock und öffnet die Wohnungstür, betritt das Wohnzimmer. Ohne Zeit zu verschwenden geht er zum Telefon und hebt den Hörer ab, wählt eine Nummer.
Es klingelt. Nach dem dritten Ton greift Mr. ABAW zu dem Telefon. „Wer spricht?“ Hans meldet sich und erstattet Bericht. „Ist Matthias auch dort?“ Negativ. „Hans, Du bleibst bitte dort. Unterdessen werden wir hier beratschlagen, wie wir weiter verfahren werden. Ade.“ Mr. ABAW legt den Hörer zurück auf die Gabel, schaut zu den Fernsehern hinüber. Einer der Bildschirme ist dunkel, zwei zeigen ein Testbild. Bei einem Sender ist zu sehen, wie Ausgaben des Koran verbrannt werden, auf einem anderen Sender brennt die israelische Flagge. Wieder woanders übergießen Männer die amerikanische Flagge mit Benzin und zünden sie an.
Mr. ABAW entnimmt der auf dem Schreibtisch stehenden Zigarrenkiste eine Il Moro, hält ein brennendes Streichholz gegen ihr Ende, pafft. Mit der Fernbedienung schaltet er den Ton einer laufenden Nachrichtensendung lauter. Darin wird von einem Terroranschlag in der somalischen Hauptstadt Mogadishu berichtet; vermutet wird ein islamistischer Hintergrund. Ein paar Tage zuvor hat sich im Irak an einem Kontrollpunkt ein Anhänger des Islamischen Staates mit einer Autobombe selber in die Luft gesprengt. Der Mann bewegt leise seinen Kopf hin und her. Es versetzte ihn immer wieder aufs Neue in Erstaunen, wie leicht sich Menschen beeinflussen ließen. Und wie schnell sie in Wut und Hass verfielen. Aber dies war wohl der einzige zu ihrem angestrebten Ziel führende Weg: bevor sie den Gottesfrieden ausrufen konnten, musste es Kriege geben. Mr. ABAW drückt den Knopf der Wechselsprechanlage. „Hazrat?“ Als er keine Rückmeldung erhält, aktiviert er die Monitore für den Außenbereich. Auf einem sieht er Parwis, einen weiteren seiner Parabolani, der dabei ist, den Gartenbereich in Ordnung zu halten.
Parwis, ein dreißig Jahre alter Syrer und Jeside, floh mit vierzehn aus seinem Heimatland, nachdem er ansehen musste, wie seine Eltern von fanatischen Islamisten mit Kopfschüssen, abgegeben von G3-Gewehren aus alten Bundeswehrbeständen, getötet wurden. Er und Mr. ABAW begegneten sich auf einer Weihnachtsfeierlichkeit, die für geflüchtete Menschen von einer kirchlichen Organisation für die Bewohner des Asylantenheimes der Stadt organisiert worden war. Als Mr. ABAW ihn aus rein höflichem Interesse ansprach und fragte, woher er käme und was seine Zukunftspläne seien, sah Parwis seine Chance. Mit ziemlich überzeugend klingenden Sätzen machte er dem vor ihm stehenden Mann klar, dass er genau der richtige wäre, falls er einen IT-Manager für seine Firma oder was auch immer bräuchte. Und tatsächlich war Mr. ABAW zu diesem Zeitpunkt auf der Suche nach Jemandem, der sich mit ‚diesem ganzen Elektronik-EDV-Kram‘ auskannte. So holte er am Tag darauf den damals gerade fünfzehn Gewordenen mit dem Auto von seiner Unterkunft ab, fuhr mit ihm nach hause (was bis dahin nur wenigen Menschen zuteil geworden war), und setzte ihn dort über seine Pläne in Kenntnis.
„Kein Problem“, antwortete der Junge auf jede seiner Vorstellungen, „mach ich Dir alles“. Dieses erfrischende Selbstbewusstsein gefiel dem Mann. Es blieb beim vertraulichen „Du“ („ich heiße Manuel“), er bot dem Jungen an, eines der Zimmer in dem gerade errichteten Tempel zu beziehen, ließ ihn eine Ausbildung zum Mechatroniker machen, und sicherte sich damit die Loyalität des Heranwachsenden.
Die Vorstellung Mr. ABAWs von einem „Glauben, der Alle eint“ wagte er allerdings anzuzweifeln. „Da machen die Moslems garantiert nicht mit!“ Mr. ABAW weihte in daraufhin in seine Sichtweise ein. Lediglich religiöse Fanatiker seien Schuld an dem ganzen Hass, den Glaubenskriegen. Auch die Mörder seiner Eltern hätten zu solchen Fanatikern gehört. „Wirklich gläubige Menschen töten nicht andere Menschen, weil sie einen anderen Glauben haben“, so versicherte er seinen jungen Zuhörer. „Auch töten sie nicht aufgrund unterschiedlicher Herkunft oder Hautfarbe. Sie sind auf der Suche nach Gemeinsamkeiten.“ Weiterhin sagte er, dass Fanatiker in allen Religionen zu finden seien. Selbst unter den Christen gäbe es welche, was der Junge nicht glauben wollte. „Ich bin auch ein Christ!“ Und würdest Du Jemanden töten wollen?“ Ohne lange zu überlegen antwortete Parwis „ja. Die Schweine, die meinen Vater und meine Mutter erschossen haben. Auge um Auge, so steht es in der Bibel…“
Mr. ABAW überquert die kleine hölzerne Brücke, unter der ein künstlich angelegter Bach dahinfließt. Parwis erblickt ihn, stellt die Harke ab, schaut ihm erwartungsvoll entgegen. „Weißt Du, wo Hazrat ist?“ „Ja, er ist vor etwa einer halben Stunde losgefahren, Besorgungen machen.“ Eine Weile stehen die Männer da, dem Plätschern des Baches lauschend, dann stellt Parwis die Frage, ob es Neuigkeiten gäbe. Mr. ABAW sortiert seine Gedanken, bis er antwortet „ja, Parwis. Der Zeitpunkt rückt näher, an dem wir uns auf den Weg machen müssen, um dem Treiben der Ungläubigen endgültig ein Ende zu setzen.“ „Es geht dabei um die Gruppe von diesem Diego Balanza, richtig?“ Der Gefragte nickt, sein Gesicht, drückt Betrübtheit ob dieser Tatsache aus.
„Wann soll es losgehen?“ will Parwis nun wissen. „Ich warte noch auf eine Botschaft von den Anderen, und werde euch dann rechtzeitig darüber in Kenntnis setzen.“ „Aka.“ Parwis widmet sich wieder seiner Aufgabe, während Mr. ABAW sich zu einem Spaziergang durch den Garten entschließt, bevor er sich in das Gebäude zurückbegibt.
Als erstes ist es Khalil, der von seinem Spaziergang zurückkehrt, Susha begrüßt und sich um die Versorgung von Jackie kümmert. Einige Zeit später erreichen Georgina und George den Hof. Auch hier sind die Begrüßungen herzlich, die Freude über das Wiedersehen ist bei den Traumreisenden groß. Und dann stellt Susha die Frage nach Diego. Als sie die Antwort zu hören bekommt, reagiert sie ähnlich wie Alexander zwei Tage zuvor: „Was, wieso? Das kann doch nicht sein!“ Und dann bricht es aus der Frau heraus, wie ein Gewitter: „Was soll denn dieses Versteckspiel? Er soll verdammt nochmal seinen Arsch hierher bewegen, aber pronto!“ „Susha!“ Sie dreht sich zu Georgina hin. „Was?“ „Nichts, ich…so kenne ich Dich ja gar nicht!“ Diese Reaktion ihrer Weggefährtin lässt die Frau etwas verlegen reagieren. „Verzeih. Ich…es ist nur so, dass ich…“
Sie wird unterbrochen, als ein Auto auf den Hof fährt, und der Fahrer sich erkundigt, ob er hier Gewürze und Tees erstehen könne. Von Morgen-ist-eh-alles-zu-spät erhält er als Antwort, dafür wären Frieda und Bernhard die Ansprechpartner, die kämen so in zwei Stunden von der Arbeit. Der Mann bedauert, dass er so lange nicht warten könne, da er noch einen Termin habe, und ob hier sonst niemand Auskunft geben kann, denn es würde sich um eine größere Warenmenge handeln. Morgen-ist-eh nennt Mikesch, der eventuell noch bescheid wüsste, der sei jetzt noch bei der Museumseisenbahn tätig und müsste innerhalb der nächsten halben Stunde eintreffen. Der Mann bedankt sich, sagt, dass er es eventuell noch einrichten könne vorbeizukommen, steigt in das Auto und fährt wieder los.
Wie von Alles-zu-spät angekündigt, kommt Mikesch kurz darauf mit seinem Moped angebraust. Noch ehe er seinen Helm absetzen und alle begrüßen kann, ist Susha auf den Treckernomaden zugestapft. „Du weißt, wo Diego Balanza sich aufhält?“ „Was? Ja, schon, aber…“ „Nichts aber! Wie bist Du zu ihm hingekommen? Etwa mit diesem…diesem…“ „Mit dem Moped“, hilft ihr Mikesch weiter. „Oder auch mit meinem Deutz.“ Susha reibt sich die Stirn. „Dann wird seine Hütte und der Wald ja nicht weit von hier entfernt sein.“
Nun ist es auch Georgina, die zum Handeln drängt und von dem gestrigen Vorfall mit Barfly bei ihr im Geschäft berichtet. Gleich darauf erfahren die Versammelten von Morgen-ist-eh, dass er Johann den Pflanzenesser tot in seinem Haus aufgefunden hat. „Dann befinden wir uns im Krieg“, schlussfolgert Susha. „Und wie ich Manuel, oder Mister Abaw, wie er sich ja selber nennt, meine einschätzen zu können, wird er über kurz oder lang seinen Tempel in Königswusterhausen verlassen und sich an der Jagd auf uns beteiligen.“ „Seinen Tempel in…wo?“ Susha wendet sich zu Khalil hin. „Königswusterhausen. Wegen der Nähe zu diesem Tempelhof, was irgendwann, keine Ahnung, von dem Templerorden errichtet wurde, in dem sein Vater wohl Mitglied gewesen ist.“
„Dann verschwenden wir keine Zeit und machen uns auf den Weg! Mikesch, Susha, bitte einsteigen.“ Morgen-ist-eh-alles-zu-spät hat seinen Strohhut aufgesetzt und hält die Türen seines Citroën auf. Der Treckernomade will auf der Rückbank platz nehmen, doch Alles-zu-spät lenkt ihn zum Beifahrersitz um. „Du musst uns den Weg weisen.“ „Und ich werde Alexander über die Vorgänge informieren“, spricht Khalil, und holt sein Handy hervor.
„Das ist alles aber nun wirklich…“ „…eine verrückte Geschichte“, vollendet Georgina Rabenvaters Satz.
Der Mann, der sich selbst die Bezeichnung ‚Allmächtige Baumeister Aller Welten‘ verliehen hat, genehmigt sich den ersten Whisky des Tages, schaltet den Computer ein und stellt die Verbindung zum Internet her, schaut auf Youtube einen Vortrag an, in dem ein Mann über den Einen Gott spricht, den All-Mächtigen, den Ordnenden, aus dessen Sein heraus es nicht möglich und auch nicht notwendig ist, dass es mehrere und unterschiedliche Gottheiten gibt. Dies stürze die Welt in das Chaos, in dem sie sich seit Jahrhunderten befindet. Die Menschheit, fordert der Mann, muss zu einer Ordnung zurückgeführt werden, was beinhaltet, die Ungläubigen als auch Jene, die andere und damit falsche Götter anbeten, zu dem einzigen und wahren Glauben zu bekehren. Und die sich dem widersetzten, müssen ausgemerzt werden.
Andächtig lauscht der vor dem Bildschirm Sitzende den Worten des referierenden Mannes. „Kriege um den Glauben geführt sind Beiträge zum Fortschritt der menschlichen Entwicklung. Das Aufgehen in der einen, der wahren Glaubensgemeinschaft hieße die geistige Annäherung an das Göttliche, an das Vollkommene.“ Zum Abschluss des Vortrages wird aus den Lehrbüchern des Alten Testaments der Psalm 37 zitiert: „Der Gottlose dräuet dem Gerechten, und beißet seine Zähne zusammen über ihn. Aber der Herr lachet sein; denn er siehet, dass sein Tag kommt. Die Gottlosen ziehen das Schwert aus, und spannen ihre Bogen, dass sie fällen den Elenden und Armen, und schlachten die Frommen. Aber ihr Schwert wird in ihr Herz gehen, und ihr Bogen wird zerbrechen. “ Damit endet es.
Nach diesen Worten fühlt sich Manuel deMontesa neu erstarkt, aufkommende Zweifel in seinem Handeln sind beseitigt worden.
Es klopft an der Tür. „Herein, immer nur herein.“ „Sie hatten nach mir gefragt?“ „Ja, Hazrat, das habe ich.“ Mr. ABAW setzt den dritten seiner engstvertrauten Mitarbeiter über die gefällte Entscheidung in Kenntnis, nun in aller Entschiedenheit gegen die Gruppe um D.B., also Diego Balanza, vorzugehen, und ihre endgültige Vernichtung in die Wege zu leiten. „Wann werden wir aufbrechen?“ Mr. ABAW schaut auf die Wanduhr. „Ich denke, morgen bei Tagesanbruch ist eine gute Zeit.“ Hazrat nickt. „Waffen?“ „Die Üblichen.“ Wieder ein Nicken. „Und denke bitte noch daran, Hans über unser Kommen zu informieren.“ „Alles klar angekommen.“ „Gut. Dann sehen wir uns beim Abendgebet.“