Allumfassende Kraft im Äther
Ich rufe Dich an
Ein suchender Mensch
der den Glauben verloren hat
an eine Menschheit
an die Gegenwart
und an die Zukunft
schickt sein Gebet
als stummes Schreien in den Äther
Letzter Zufluchtsort
für Verzweifelnde
und die Irrenden
in der Finsternis dieser Tage
Erschaffen von amorphen Mächten
die in den Türmen von Banken und Konzernen sitzen
und sich selbst zu Gottheiten erhoben haben
die nun Namen tragen wie
British Petrol
General Motors
Allianz Versicherung
Deutsche Bank
Metro oder
Dow Jones Index
Die Versklavung der Welt
ist so gut wie abgschlossen
Ausbeutung hat tausend Namen
Nenne sie Wettbewerbsfähigkeit
oder Prostitution
Globalisierung oder Kolonialismus
Das Endziel heißt Profit
Nutznießer eine elitäre Kaste
deren Religion
von Politik-Priestern
als endlose Rosenkränze
verkündigt wird:
Fusionierung, Börsengang
Senkung der Lohnnebenkosten
Und die Massen beten stumpfstierend nach
was gebetsmühlenartig
in Fernsehen und Zeitungen wiederholt wird
Dummgehalten
den Verlockungen des Wohlstands gefolgt
Nun gefangen in der Tretmühle
der täglichen Sorgen
um das Abzahlen der Kredite
und die Angst vor Krankheit und Arbeitslosigkeit
und so durch das soziale Netz zu fallen
welches ja immer dünner wird
Denn die Kassen sind leer
Die fetten Jahre sind vorbei
verkünden Politiker aller Coleur
während sie es gerade noch schaffen
ihre Diäten zu erhöhen
und in den Vorstand eines
frisch subventionierten Konzerns
wiedergewählt zu werden
Dafür müssen Beschäftigte ihre Arbeit lassen
Als Opfergabe an die Gottheiten
um sie gnädig zu stimmen
damit das Brot vom Supermarkt billig bleibt
Denn der Weizen auf den Monokulturfeldern
ist subventioniert
um verfüttert zu werden an die McDonaldsrinder
Die Kleidung und Schuhe in den Modemärkten gibt es günstig
da die Fabrikanten Manufakturen in Thailand errichtet haben
in denen Kinder zu Billigstlöhnen Frondienst leisten
Und auch andere Güter
wie PC und Kühlschrank sind erschwinglich
da größtenteils ebenfalls im Ausland fabriziert
(„Wären nur die Steuersätze hier nicht so hoch“,
stöhnen entschuldigend die Unternehmer)
und von Maschinen zusammengesetzt
(Wieder verloren Menschen ihre Arbeit)
Fernsehen, Auto, Gefrierschrank
zählen zum Lebensstandard
genauso wie die Digicam
Das Handy für die Kids
Das Eigenheim
Das Carport für den Zweitwagen
und eine Mauer drumherun
mit Alarmanlage
Um all die
(noch nicht abbezahlten) Güter
vor nächtlichen Einsteigern zu schützen
die dreisterweise auch schon am Tage kommen
Als Anlageberater und Versicherungsvertreter
um zu schauen
ob nicht doch noch irgendwo
ein kleiner Rest an Geld zu holen ist
Geld, welches als Münze oder Schein
bald nicht mehr existent sein wird
ersetzt durch Plastikkarten
Den Wert der Waren geben Chips an
Ein virtueller Wert
genauso virtuell wie das Geld
So weit entfernt
ist der Ursprung der Ware
vom Verbraucher
Dazwischen liegen Großhändler, Spediteure
Einzelhändler – sie alle verdienen an der Ware
ohne an ihrer Produktion beteiligt zu sein
Ebenso wenig wie Bankiers
die Kredite geben
und Zinsen nehmen
Und Börsianer
die Fall und Anstieg der Kurse angeben
noch etwas mit dem Tausch der Ware zu tun haben
O Kraft im allumspannenden Äther
Was muß noch alles geschehen
damit die Menschheit erwacht?
Oder ist es schon zu spät
und das fiktive Bild
ist bereits Realität
Das Bild eines Mannes
der vor dem Fernseher sitzt
mit einer Plastikflasche voll Bier in der Hand
Und auf Kanal 23 wird gezeigt
wie eine ausgesuchte Gruppe von Menschen
ein Space-Shuttle besteigt
Manche von ihnen winken in die Kameras
(Es sind Politiker, Manager, dazwischen Stars
aus Kino und Fernsehen, Rockmusiker)
Es ist eine Reise ohne Rückkehr
Bye bye Baby earth
Gezeigt wird die Essenz jahrzehntelanger Raumforschungsprojekte
Das Ergebnis aus Milliarden Dollar Forschungsgeldern:
Das sich die Elite des Planeten verpisst
zum Mars – zum Jupiter – zum Uranus
und uns hier zurücklässt
in der Kloake Erde
stinkend – ausgebrannt
noch nicht einmal überbevölkert
sondern unbewohnbar gemacht
durch den Raubbau
und die Kriege – ewig – ewiglich…
Der einsame Mann
wird einen weiteren Schluck
aus seiner Bierflasche nehmen
den Kopf schütteln
weil er die Bilder nicht versteht
nicht wahrhaben will
und den Knopf der Fernbedienung drücken
um die lustige Show
auf einem der anderen Kanäle zu verfolgen
in der tablettenabhängige Frauen
arbeitslose Manager an ihren Schlüpfern riechen lassen
während der sich zum Katholizismus
bekennende Moderator um ihrer Seelenrettung willen
zu exorzieren beginnt
Das Publikum – mit Verkaufsveranstaltungsbussen
herangekarrte zwangsrekrutierte Sozialhilfeempfänger
werden von Elektrostäbe benutzenden Meßdienern gezwungen
aus dem Buch bMormon zu lesen:
„Ja, und dann werden sie Kriege und Seuchen erleben,
ja, Hungersnöte und Blutvegießen,
bis das Volk Nephi ausgerottet sein wird…“
zzzappp –
der Mann wird weiterschalten
in ein anderes Programm
O Kraft
verlass mich nicht
in diesen Tagen
des herrschenden Irrsinns
in denen Menschen
laut lachend sich selbst
und flüsternd andere verraten –
verkaufen für einen Sitzplatz in der Kantine
von Deutschland sucht den Superstar
einen Alcopop hebend
auf die gute alte Moderne
um dann mit der U-Bahn
zu den Börsenplätzen der Welt zu eilen
sich siegessicher der steigenden Notierungen vergewissernd
diametral zu den Einflugbahnen der Passagierflugzeuge
in die Tradecenter krachend
„Hast Du´s denn nicht vorher gewußt?“
kreischend – um sich im selben Atemzug
mit dem unsichtbaren Zionisten
auf der Trabrennbahn zu verabreden
der – die Kabbala studierend – prophetisch flüstert:
„Setze nicht auf Wüstensturm,
sein Jockey heißt Washington,
ihm wird auf der Zielgerade der Saft ausgehen…“
Und auch Byron der Birne wird Saft abgedreht
was als Beginn der Zeit der Finsternis
dokumentiert ist
Ach Kraft
warum hat niemand an Dich geglaubt?
An Dich und Deinen Propheten Nikola
der die freie Energie propagierte
Doch König Herodes war bereits informiert
diesmal in der Gestalt J.P. Morgans
der Dein Labor verbrannte
und die Titanic gegen einen Eisberg laufen ließ
„Ja, habt ihr`s denn nicht vorher gewußt?“
schluchzten die Börsianer
und die Menschheit betete weiterhin
falsche Götter an
mit Messen in Kohlebergwerken
in Keuzzügen für das Öl
und Tempelbauten für die Atomkraft
(70.000 verdampften in Hiroshima als Opfergabe)
Der Mann spült mit einem Schluck Bier
das Narkophin herunter
und drückt den Knopf
• zzappp
Ein Fernsehspiel:
Ein Mann sitzt am Küchentisch
starrt auf den Bildschirm vom Laptop
Die Finger seiner rechten Hand
bedienen den Cursor
Die Frau steht am Herd
rührt in einem Kochtopf
sagt: „mach den Tisch frei, Essen ist fertig.“
„Was gibt es denn?“ fragt der Mann
ohne den Blick vom Monitor zu nehmen
„Ungeborenes“, erwidert die Frau
und als der Mann fragend aufblickt
ergänzt sie: „fehlentwickelte Klone,
gibt`s jetzt günstig an der Fleischtheke.“
„Ach so“, sagt der Mann,
„ich dacht schon, Du hättest Unseres…“
„Das könnte Dir grad so passen“,
entgegnet sie über die Schulter
mit der linken Hand ihren Bauch fassend
„Weißt wohl nicht, wie zukünftig die Mäuler zu stopfen.“
„Herrgott, was kann ich denn dazu?“
stößt er hervor, mit der Faust auf den Tisch
„Nicht mehr tragbar für die Firma,
stand auf dem Schreiben – nicht mal mündlich –
und das nun Zeit wäre für mich,
weil abgelaufen,
endlich den Platz freimachen…“
Tränen sickern durch –
„Wie Müll ham se mich behandelt“, flüstert er
begreifend – „wie menschlichen Müll.“
„So wie dies kleine Ding hier“,
denkt sich die Frau
(als Untertitel)
und rührt weiter den grauweißen Klumpen
Ich stehe auf der Brücke
das Geländer umklammert haltend
und starre auf den schmutziggrauen Fluß
Ein Frachter teilt das übelriechende Wasser
verliert sich im Smog des Nachmittags
Schwer atmend setze ich meinen Weg fort
Selbst durch den Filter der Atemmaske
kratzt die Luft in den Atemwegen
Komme vorbei an dem stillgelegten Windkraftpark
´Hier grasten früher Kühe`
mahnt ein Transparent
von irgendwlchen Melancholikern dort aufgestellt
Baumskelette strecken anklagend
ihre toten Äste gen Himmel
Wolken ziehen sich zusammen
Bald werden die Mittagsstürme einsetzen
Ich kehre um
und gehe zurück
zu meiner Wohneinheit
Allumfassende Kraft
warum nur hat niemand auf die Mahner gehört
deren Stimmen immer leiser wurden
bis sie schließlich ganz verstummten
unter dem Stampfen der Maschine
welche weltumfassend
die Menschen zu Sklaven machte
und niemand kannte ihren Namen
bis zum Schluß
Bis zum Schluß
erging man sich in Spekulationen
fand immer Neue
denen man die Schuld zuweisen wollte
welche sich letztlich doch
als trugschlüssige Bauernopfer erwiesen
die der Maschinerie dienten
ohne ihre Erbauer zu sein
Selbst Hochrangige aus Wirtschaft und Politik
waren nichts weiter als Handlanger
Meßdiener und Speichellecker
für einen Platz in den oberen Rängen
jeden ans Messer liefernd
der nicht schnell genug
seine Karten ausspielen konnte
respektive tatsächlich noch
einen Funken Ehrlichkeit zeigte
wie in der Pharmaindustrie
stellvertretendes Beispiel
für Profitgier sämtlicher Industrien:
Eine Handvoll Ärzte
den hippokratischen Eid noch ernst nehmend
propagierte die Heilbarkeit von Brustkrebs
durch Frequenztherapie
Ihre Labors wurden zerstört
und einige kamen auf mysteriöse Weise
ums Leben
Nun sind wir alle verlassen
von dem Ding, das erschaffen wurde
um Halt zu geben
Gesetz zu sein und Ordnung zu schaffen:
Jahwe, Gott, Allah
löst sich auf in Nichts
Und auch unsere irdischen Führer
machen sich aus dem Staub
Die Erlösung ist allzu irdisch
Kein Platz im Paradies
Keine belohnende Seelenwanderung
Nein – SpaceShipOne heißt die Erlösung
für die Elite
Nicht Nächstenliebe
Nicht Friedfertigkeit
Nicht enthaltsames Leben
sicherte die Fahrkarte gen Himmel
sondern Korruption
Konspiration
und maßlose Völlerei
Gott war nur dazu da
uns ruhigzustellen
oder sogar
gegeneinander aufzuhetzen
Wir wurden verleitet
aufs falsche Pferd zu setzen
hatten nicht das richtige Blatt
und keine gewinnbringende Aktie
verändert etwas am Finale
Wir haben sie selbst geschaffem
unsere Hölle hier auf Erden…
Meine Kniee schmerzen
O Kraft – während ich die Stufen
zu meiner Wohneinheit erklimme
Schmerzen – verursacht
durch jahrelange Fehlernährung
Ich kann nicht mal sagen
„Hab es doch alles nicht gewußt“
konnte ich doch lesen
von der Massentierhaltung
in der das Rindvieh seine Artgenossen
zum Fressen vorgesetzt bekam
und deswegen wahnsinnig wurde
Konnte mich informieren
über Insektizide, Pestizide
unermüdlich gesprüht
auf die bis zum Horizont reichenden Getreidefelder
brauchte nicht zu ignorieren
die Meldungen
über nicht absehbare Folgen
genmanipulierter Nahrung
(auch für ungeborenes Leben)
Aber gegen die Schmerzen gab es ja Tabletten
die allerdings nie die Ursachen bekämpften
dafür voller Nebenwirkungen waren
für die es neue Pharmaka gab
hergestellt von mächtigen Konzernen
ihre Wirkung ausprobierend
an Mensch und Tier ebenso
Wider meines Gewissens
schlucke ich das Narkophin
spüle Bier aus der Plastikflasche hinterher
und auf dem Fernsehbild
ist eine Diskussionsrunde zu sehen…
„Das Ende hat sich doch schon frühzeitig angekündigt.“
Der Mann ist neutral gekleidet, nicht eigentlich, aber doch irgendwie
dem ´Alten Eisen´ zugehörig. „Und zwar mit dem Untergang des Kommunismus.“
„Aber dieser war doch geplant, gewollt,“ wirft ein wirklich als Ewiggestriger zu erkennender Bartträger dazwischen. Murren im Publikum – Kamerazoom auf den ´Future now´-Button an dem Revers seines Jacketts haftend, „die Wirtschaftsembargos seitens der kapitalistischen Staaten haben ihren Untergang vorprogrammiert!“
„Womit sie sich den Arsch abwischen können!“ Die Kamera schwenkt auf einen Rotzlöffel, linksaußen auf dem lachsfarbenen Ledersessel flegelnd, trotz Rauchverbot sich eine Gauloise blondes anzündend; verunsichertes Gelächter im Publikum. Die Moderatorin, eine Mischung aus Bärbel Schäfer und Sabine Christiansen, sexy und doch unnahbar, schlängelt sich mit dem Lächeln Hurra, die Einschaltquoten schnellen in die Höhe
an den Typen heran, ihm das Mikro unter die Nase haltend: „So, sie haben eine andere Meinung – hoffentlich auch stichhaltige Argumente, und sie dürfen die Zigarette anbehalten.“
„Konkurrenz belebt das Geschäft“, beginnt Rotzlöffel zu dozieren, und wer nicht mithalten kann, hinkt seinen Mitbewerbern hinterher.“
„Ich habe keine Lust mehr auf Arbeit!“ schreit jemand aus dem Publikum, „weil: Arbeit ist Scheisse!“ „Stimmt!“ ergreift der Ewiggestrige wieder das Wort, „denn der Lust der Arbeit ist die Lust des Konsumierens gegenübergestellt –
kaufen ist billiger als herstellen – wozu also etwas selbermachen? Wozu Gemüse anbauen? Im Supermarkt gibt es doch alles billig – wozu noch Möbel bauen? Sämtliche Kaufhäuser warten mit Sonderangeboten auf. Warum sich also noch ein recht auf Arbeit erkämpfen?“
„Genau!“ näselt erneut der Rotzlöffel dazwischen, „es gilt, neue Absatzmärkte zu erkämpfen! Autos, Kühlschränke, Kinderzimmer – hier ist doch keiner mehr, der sich`s leisten kann – ausgepresst wie Zitronen, abgelaufen der Dispo, das Konto gesperrt, die Aktien vernichtet – zum Abschuss freigegeben – der Mohr hat seine Schuldigkeit getan – zurück auf die Bäume ihr Affen – reingefallen auf die Werbung und die Versprechungen – vorbei der Tanz ums goldenen Kalb – und nach dem Gang zum Arbeitsamt wartet jetzt das Siechenhaus, vielleicht erst noch die Psychiatrie zum Regulieren und neu Einstellen, damit wieder funktioniert wird!“
„Das hier funktioniert!“
Kameraschwenk auf den Typen im Publikum – hält jetzt ne Knarre in der Hand – zittert nicht, drückt ab, und der Rotzlöffel verharrt in der Bewegung, sdein Gesicht zeigt grenzenloses Erstaunen, als hätte er das Paradies gesehen, und sackt hinein in den Ledersessel – die Zigarette glimmt noch, als sie seinen toten Fingern entfällt.
WERBEPAUSE
Christian C. Kruse
2003