Nachdem Andrea sich auf seine auf ihrer Mailbox hinterlassene Nachricht nicht zurückgemeldet hatte, setzte Sven sich ins Auto und machte sich auf den Weg zu ihr. Vielleicht war sie ja schon von ihrer Freundin zurück, so dachte sich Sven. Und wenn nicht, würde er vor ihrem Haus auf sie warten. Er wollte mit ihr reden, sie mussten ein Gespräch miteinander führen, dessen war sich Sven klar geworden. Er musste Andrea davon überzeugen, dass sie ihr Leben weiterhin gemeinsam verbringen würden, auch wegen Jannis, der, da war sich Sven sicher, unter ihrer Trennung litt. Sie würden, wie es oftmals in solchen Situationen beschrieben wurde, noch einmal von vorne beginnen. Sven war dazu bereit, und er war sich sicher, dass auch Andrea…
Er war in die Straße eingebogen, in der sich Andreas Wohnung befand, konnte das kleine Häuschen mit dem adretten Garten bereits sehen, das Günther ihr vermittelt hatte, und bremste abrupt.
Vor dem Eingang stand Andrea, und bei ihr ein Kerl. Beide hielten sich umarmt, küssten sich. Dann ging der Kerl zu seinem auf der anderen Straßenseite abgestellten BMW, stieg ein und fuhr los, dabei kurz hupend. Andrea winkte ihm zum Abschied und kehrte in das Haus zurück. Das war also die Freundin, bei der Andrea angeblich… Sven spürte sein Blut in den Halsadern pochen, schluckte trocken, und dann fuhr er dem BMW hinterher, aus einem Impuls heraus, erfahren wollend, wo dieser Kerl wohnte. Die Fahrt ging eine Weile auf der Hauptstraße entlang, bis der Wagen abbog in Richtung Kanal. Bei einer Ansammlung von Gehöften kamen sie zu einer Weggabelung, wo der Verfolgte nach rechts fuhr und gleich darauf auf dem Rasenstück vor einem der Höfe parkte und ausstieg. Sven sah noch, wie der Mann einen dort abgestellten Wohnwagen aufschloss und darin verschwand.
Wieder bei sich zuhause angekommen setzte Sven sich ins Wohnzimmer und starrte vor sich hin. Am Nachmittag fuhr er mit dem Rad zum Kiosk – dort hatte Armin gerade Dienst – und holte sich sechs Halbliterflaschen Bier sowie Tabak und Blättchen. Während er sich zuhause das Bier einverleibte, war er mit seiner Playstation damit beschäftigt, Untote und Aliens niederzumähen, damit diese nicht in seine Raumstation eindrangen. Irgendwann waren die Biere alle, Sven hatte aber noch nicht genug, und so fuhr er mit dem Rad los zur Nachttankstelle, erstand dort eine Flasche Wodka, schaffte diese bis fast zur Hälfte, dann schlief er auf dem Sofa ein. Dort erwachte er am Montag gegen zehn Uhr, musste sich erst einmal orientieren, bis ihm einfiel, dass er seit bereits einer Stunde auf der Maßnahme bei der wöchentlichen Befindlichkeitsrunde sein sollte. So griff er zum Handy und meldete sich dort krank.
Am nächsten Tag machte er sich rechtzeitig auf zum Jobcenter, lief dort im Flur einem der Maßnahmenleiter über den Weg, der ihn sogleich aufforderte, mit in sein Büro zu kommen und dort platz zu nehmen. Auf die Frage, wo er denn gestern gewesen war, antwortete Sven, dass er am Wochenende krank gewesen ist, grippaler Infekt, und am Montag noch zuhause geblieben sei, um hier niemanden anzustecken. Als der Maßnahmenleiter daraufhin eine ärztliche Krankschreibung sehen wollte, erwiderte Sven, dass er dachte, ein ‚Gelber Schein‘ wäre erst ab dem dritten Tag von Nöten. Der Mann hinter dem Schreibtisch schüttelte den Kopf, blätterte unterdessen in irgendwelchen Unterlagen, wies ihn darauf hin, dass dies bereits der fünfte Tag innerhalb von neun Wochen war, den er unentschuldigt gefehlt hat.
Als Sven daraufhin dem Mann seine momentane schwierige persönliche Situation darlegen wollte, um damit Mitgefühl oder zumindest Verständnis zu erwecken, wurde er unterbrochen und bekam gesagt, dass er Vorschriften diesbezüglich habe, und die Fehlzeiten würde melden müssen, was eine Sperre oder zumindest Kürzung der Leistungen zur Folge haben werde.
Sven hatte das Gefühl, als wäre zu diesem Zeitpunkt die Atemluft aus dem Raum entwichen. Der Maßnahmenleiter redete noch weiter, was Sven jedoch nicht mehr aufnahm. Er verspürte das Verlangen, den auf dem Schreibtisch stehenden Locher zu greifen und diesen dem Urteilsverkünder auf den Kopf zu dreschen. Er beherrschte sich, stand grußlos auf, und verließ den Raum, das Gebäude, setzte sich in sein Auto, und bemerkte dort, dass seine Hände zitterten.
Auf der Fahrt zurück stieg ein Gefühl in Sven auf, das er einmal vielleicht ansatzweise während seiner Faschozeit gekannt hatte: Hass! Damals war ihm von seinen so genannten Kameraden eingeredet worden, dass Hass auf Ausländer, Juden, Freimauer zum Charakterbild eines „Guten Deutschen“ gehöre. So entwickelte er zu dieser Zeit Hass auf diese Menschen, mit denen er de facto keinen Ärger geschweige denn überhaupt persönlichen Kontakt gehabt hatte. Doch jetzt sah die Sache anders aus! Sein Herz war verletzt worden, seine Seele gekränkt und der Rest an Selbstwertgefühl genommen. Und daheraus entstanden negative Energien, aus denen wiederum sich ein Gedanke entwickelte, der viel zu oft schon in der Menschheitsgeschichte zu vernichtenden Taten geführt hat: Rache! Dieser Gedanke begann das Denken des jungen Mannes zu beherrschen, füllte ihn mehr und mehr aus, so als würde ein Fingerhut voll schwarzer Tinte in ein Glas mit Wasser getan. Die Tintenwolke bereitete sich in der klaren Flüssigkeit aus und färbte sie dunkel ein…
In seine Bude steckte Sven sich als erstes eine Selbstgedrehte an, fuhr die Playstation hoch und ballerte sich ins nächste Level. Und während er Aliens zu Matsch zerschoss und Zombies die Köpfe wegmähte, legte er sich einen Plan zurecht, traf irgendwann die dafür notwendigen Vorbereitungen, und machte sich nach Einbruch der Dunkelheit auf den Weg. Er fuhr die gleiche Strecke wie am Sonntag, bog ab zum Kanal, wendete, als er die Weggabelung erreichte, den Wagen und stieg aus, sich den Rucksack vom Beifahrersitz greifend. Am Firmament zuckten Blitze, denen Donnergrollen folgte. Dem Wind schützend seinen Rücken zudrehend entzündete Sven den in den Flaschenhals gestopften Lappen, zählte wie bei einer Handgranate bis drei, dann warf er das Teil in die Richtung vom Wohnwagen, wo der Molotow-Cocktail auf einer vor der Tür liegenden Waschbetonplatte zerplatzte. Augenblicklich setzte ein explodierender Feuerball den Eingangsbereich in Brand. Sven schleuderte noch eine zweite Flasche hinterher, ohne diese vorher angezündet zu haben, rannte zum mit laufendem Motor wartenden Auto zurück und fuhr los.
Im Rückspiegel konnte er noch eine Weile die hochlodernden Flammen sehen, bis sie bei der nächsten Biegung aus seinem Blick verschwanden. Sven lenkte den Wagen über eine Brücke, wusste irgendwann nicht mehr, wo er sich befand. Die Scheinwerfer erfassten aufgeplatzten, von darunter hervorsprießendem Gras besiegten Asphalt, zur linken und zur rechten Seite wild wachsendes Buschwerk und dazwischen gepflanzte Obstbäume. Irgendwann hielt Sven an, schaltete die Lichter des Fahrzeugs aus. Mit beiden Händen hielt er das Steuerrad fest umklammert, seine Zähne schlugen aufeinander und seinem Mund entwichen nach nnnein-nnein klingende Laute. Regentropfen trafen auf die Windschutzscheibe, die der in dem Wagen Sitzende als Blut zu erkennen glaubte. Schlagartig wurde es da Sven bewusst, dass er mit dem Werfen der Brandsätze mit Sicherheit den Tod eines Menschen verursacht hatte. Oder vielleicht auch von Zweien, denn die Möglichkeit bestand, dass auch Andrea sich in dem Wohnwagen befunden haben konnte, der durch seine Hasstat in eine Feuerhölle verwandelt worden war, aus dem die vielleicht im Schlaf überraschten Menschen nicht mehr entkommen konnten und nun eines grausamen Todes starben, verätzt von heißem Plastik und verkohlt zu bizarr entstellten Skeletten.
Sven stieß die Tür des VW auf, wankte auf eine am Wegrand wachsende Hecke zu und würgte den Restinhalt aus seinem Magen heraus. So stand er da, vornübergebeugt, wischte sich den Rotz und Speichel aus dem Gesicht, kroch in das Auto zurück, fuhr weiter den einsamen Weg entlang. Die Bilder der im Wohnwagen verbrannten – und davon ging Sven jetzt aus, dass es sich um zwei handelte – überlagerten sich mit Denen des Mädchens aus dem Vietnamkrieg, in dessen nackten Körper sich Napalm eingebrannt hatte. Diese Taten waren durch nichts zu rechtfertigen. Sie waren und blieben Mord! Eifersucht, Hass, Vergeltung – welche Beweggründe auch genannt wurden, sie reichten nicht aus, den gewaltsamen Tod eines Menschen zu rechtfertigen.
Der Weg endete abrupt bei dem Anleger einer Fähre, die in den Sommermonaten Wanderer und Radfahrer auf die andere Seite des Flusses brachte. Sven starrte auf das schwarzglitzernde Wasser, das dort seit Jahrhunderten seinen Lauf nahm. Der Regen war weitergezogen; die Wolken hoben etwas den Vorhang, damit durch das Mond- und Sternenlicht die Szenerie zumindest teilweise beleuchtet wurde: die Silhouetten der Büsche und Bäume, der dahinwälzende Fluss und das davor stehende Auto, dessen Scheinwerfer wieder ausgeschaltet waren. Ohne noch lange zu überlegen setzte Sven mit dem Fahrzeug zurück, so, als wolle er Anlauf nehmen, schaltete zurück in den ersten Gang, und wollte gerade das Gaspedal durchtreten, da begann ein Engel sich zu melden. Dies geschah so unerwartet, dass Sven auf die Bremse trat und damit den Motor abwürgte. Der Klingelton seines Mobiltelefons füllte noch einige Sekunden das Wageninnere aus, bis er den Apparat aus seiner Jackentasche gezogen hatte und auf dem Display den Namen von Andrea entdeckte. „Ja?“ „Sven – ich hoffe, es ist noch nicht zu spät?“ fragte Andrea, ohne zu wissen, welch eine Tragweite ihre Frage in diesem Augenblick hatte, und auf die Sven mit einem lapidaren „nein“ antwortete. Am Klang ihrer Stimme erkannte er, dass Andrea kurz davor war, in Tränen auszubrechen, als sie ihn bat, bei ihr vorbeizukommen. Es sei alles ihre Schuld, sie hätte sich scheiße verhalten, und… „Okay“, unterbrach sie Sven, „ich bin gleich bei Dir.“ Eine Weile saß er noch dort, auf den Fluss starrend. Wäre Andrea nur ein paar Sekunden später auf die Idee gekommen, anzurufen… Fassungslos schüttelte der Mann seinen Kopf, startete den Wagen, wendete und fuhr durch die Dunkelheit zurück.
„Was hast Du gemacht?“ „Ich hab nen Molli raufgeschmissen, nein, zwei, und das Ding ist in Flammen aufgegangen.“ Andrea saß da, betrachtete Sven, ihren Nochehemann, und ein leises Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, das so etwas wie Anerkennung, zumindest Verständnis ausdrücken könnte für die ihr soeben gestandene Tat. Was für einen Mann habe ich da all die Jahre an meiner Seite gehabt, mochte die Frau jetzt denken, der aus lauter Wut, Verzweiflung, Eifersucht hingeht und für mich töten würde? Und ich dumme Tussie laufe ihm weg und geradewegs dem nächstbesten Loser in die Arme. „Morgen werd ich gleich zur Polizei gehen und mich selbst anzeigen.“ „Was willst Du? Warum? Weil Du den scheiß Wohnwagen von diesem…Arschloch in Brand gesetzt hast?“ „Nein, weil ich Deinen Scheiß-Lover umgebracht habe.“ „Hast Du denn sein Auto dort stehen sehen?“ Dafür sei es zu dunkel gewesen, antwortete Sven. „Hat Licht in dem Wohnwagen gebrannt?“ „Herrgott, ich weiß es nicht!“ Andrea wollte gerade aufstehen, um noch Bier aus der Küche zu holen, da meldete ihr Handy einen SMS-Eingang. „Es ist von AlDee. Er schreibt, dass sein Wohnwagen abgebrannt ist und fragt, ob er heute nacht bei mir schlafen kann.“ „Und was antwortest Du ihm?“ „Dass mein Mann gerade neben mir sitzt und die Nacht bei mir verbringen wird.“ „So, tut er das?“ fragte Sven und wollte damit cool erscheinen, so wie die männlichen Schauspieler in den alten Schwarz-weiß-Krimis, wenn sie nach all den Abenteuern und Schießereien endlich ihre Traumfrau wiedergetroffen haben.
„Du brauchst nicht, wenn Du nicht willst“, erwiderte Andrea daraufhin ebenso cool. „Du kannst auch…“ „Dann kann ich ja noch ein Bier trinken“, vollendete Sven den Satz, und „ich wollt sowieso grad eins holen“ entschwand Andrea in die Küche und kehrte mit zwei geöffneten Flaschen zurück, gab eine davon Sven, setzte sich zu ihm auf die Sessellehne, strich ihm über den Kopf, und da sprach Sven das aus, was er bereits vor einem halben Jahr hätte sagen sollen, oder vielleicht auch nicht, weil da nicht der richtige Zeitpunkt gewesen wäre: „Andrea, ich liebe Dich noch immer von ganzem Herzen. Und ich brauche Dich so sehr, weil ich ohne Dich…“ Er konnte diesen Satz nicht zum Ende bringen, weil da auf einmal die mit Koks und Alkohol unterdrückten Emotionen mit einem Schwall heißer Tränen hervorbrachen. Schnell stellte Andrea die Flasche beiseite und nahm Sven fest in die Arme, dabei flüsternd „ich Dich doch auch. Und ich hab Dich so sehr vermisst…“
Hier verlassen wir die Beiden, und wenden uns einem anderen Menschenpaar zu.
Dieter Grüngarten hat auf dem Sofa im Wohnzimmer platz genommen, und sieht die Post durch. Elena, seine Frau, räumt in der Küche das Geschirr vom Abendessen in die Spülmaschine. Die Kinder sind oben in ihren Zimmern, Marjana ist im Kiosk tätig.
Sie mache sich Sorgen, hat Marjana gestern Abend ihr Herz ausgeschüttet, da sie ihre Eltern den ganzen Tag telefonisch nicht erreichen konnte. Freunde, die sie in Donezk angerufen hat, wussten auch nichts Näheres, sagten jedoch, dass sich die Lage dort stabilisiert habe. Dennoch lässt es ihr keine Ruhe, und sie überlege, zurückzureisen, um sich Gewissheit zu verschaffen. Die beiden äußern ihr Verständnis für Marjanas Sorgen, raten ihr aber dazu, wenigstens noch das Wochenende abzuwarten.
Werbung, Werbung, Brief von einem Geschäftskollegen, Werbung. Einen Briefumschlag, auf dem lediglich sein Name steht, ohne Absenderangabe, will er auch zur Werbepost befördern, überlegt es sich anders, öffnet dann als erstes den Brief von dem Geschäftspartner.
Sehr geehrter Herr Grüngarten! … freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass der Geschäftsabschluss mit der russischen Föderation so gut wie sicher ist…demnächst zu einem gemeinsamen Treffen… Und warum schickt der das jetzt an meine Privatadresse? fragt sich der Mann, bevor die weiteren Zeilen ihn aufklären: …lediglich eine Kopie, während das Original morgen im Briefkasten ihrer Firma liegen wird… Als kleine Wertschätzung wird der hier angegebene Betrag in den nächsten Tagen auf Ihrem maltesischen Bankkonto eingehen … mit den besten Grüßen… Unterschrift
Dieter lehnt sich zurück, liest das dort Geschriebene ein zweites Mal, denkt: so soll es sein! Schließlich reißt man sich den Arsch auf, fährt mitunter zu irgendwelchen Kapalken, bei denen man nicht weiß, ob es vielleicht angebracht wäre, eine schusssichere Weste unter dem Anzug zu tragen. Nun ja. Solange der Normalbürger meint, dass es so etwas nur im Kino gibt und weiter brav die Hansels wählt, die da für die Medien von Friedensverhandlungen und Bilateralverträgen faseln, während ihm als Dankeschön ab und an etwas für die vielbeschworene ‚Hohe Kante‘ überwiesen wird…. Himmel, die Kinder werden schneller groß als er Geheimratsecken buchstabieren kann, und so ein Studium an der Beisheim-School wird ja nun mal nicht aus öffentlicher Hand gefördert – das wäre ja noch schöner!
„Ich hab uns noch einen Kaffee gekocht.“ Elena trägt ein Tablett herein, stellt es auf den Tisch neben der Tageszeitung und der Post ab, fragt „ist was Wichtiges dabei?“ was mit „das meiste ist Werbung“ beantwortet wird. Dieter gibt Milch und Zucker in den Kaffee, rührt um, nimmt einen Schluck. Dabei kommt ihm spontan eine Idee. „Nimm Dir für morgen Abend nichts vor. Wir werden zusammen essen gehen. Und Marjana kommt auch mit.“ In solchen Momenten fühlt Herr Grüngarten sich gut. Er weiß, wofür er auf der Welt ist und dass er auf der richtigen Seite kämpft. Und dafür wird er gerne in die Kollekte der Glaubensgemeinschaft spenden.
Bevor Dieter zum Handy greift, um beim Adriatic Grill einen Tisch für den Freitag Abend zu bestellen, will er noch eben wissen, was sich denn nun in dem Umschlag befindet, auf dem lediglich sein Name geschrieben steht. Er reißt das Kuvert auf, entnimmt das darin befindliche DIN-A-4-Blatt, faltet es auseinander, und beginnt, den darauf gedruckten Text (Times New Roman .16) zu lesen.
Guten Tag, Herr Grüngarten!
Wir haben uns dazu entschlossen, diese Zeilen an Sie zu verfassen, weil wir nicht gutheißen können, was Sie und Ihr Konzern für ein unermessliches Leid verursachen, indem Sie Waffen oder auch kriegsunterstützende Gerätschaften an Regierungen und/oder Organisationen liefern, die damit Krieg führen, gegen ein anderes Land, um an die dort lagernden Rohstoffe zu kommen, oder auch, um dort lebende andersgläubige Menschen zu töten. Können Sie ruhig schlafen gehen, Ihre Frau lieben und Ihren Kindern einen Gute-Nacht-Kuss geben mit den Bildern, die täglich in den Nachrichten zu sehen sind, mit den Meldungen, die von der Zerstörung und dem Leid berichten, mit der die Welt übersät wird?
Herr Grüngarten, wir bitten Sie, nein, wir forden Sie auf: verlassen Sie diesen Pfad des Tötens, des Geld Ansammelns durch die Vernichtung von Menschenleben – auch für Ihre Kinder, die sich irgendwann einmal fragen werden, womit ihr Vater sein Geld verdient hat, und sich dann dieser schändlichen Wahrheit gegenübergestellt sehen.
Machen Sie etwas anderes aus Ihrem Leben! Nutzen Sie Ihr Potential für positive Dinge, die Menschen helfen und sie erfreuen! Wir lassen Ihnen dazu ein Vierteljahr Zeit – Zeit, in der Sie sich anderweitig orientieren können. Wir werden Sie und Ihre Tätigkeiten weiterhin beobachten. Sollten sich innerhalb der Fristsetzung keine Änderungen ergeben haben, sehen wir uns gezwungen, weitere Maßnahmen zu ergreifen!
gez.
The United Youth Movement
Der Adressat des Briefes faltet den Zettel wieder zusammen und steckt ihn zurück in den Umschlag. Er wirft einen Blick auf seine Saxone-Chronograph-Armbanduhr und steht vom Sofa auf, dabei vor sich hinmurmelnd „ich werd mal nachsehen, was die Kinder machen“, woraufhin seine Gattin ihm einen fragenden Blick nachwirft.