Khalil steht vor dem Herd neben der Spüle. Er hat einen weißen Frotteebademantel an, an den Füßen trägt er Badelatschen. Er schaut zu Georgina hinüber. Die hat sich mit gekreuzten Beinen auf den Kühlschrank gesetzt, trägt jetzt den Poncho und schwarze Halbstrümpfe. Auf ihrem Schoß liegt ein Schreibblock, in der rechten Hand hält sie einen gelben Kugelschreiber. „So, ich schreib das jetzt alles auf, was wir jetzt hier in der Küche haben.“ „Da musst Du jedes Teil ganz genau beschreiben“, mahnt George da an, „sonst gibt das Unstimmigkeiten in den räumlichen Dimensionen.“ Dabei hält er seine Blättchenpackung hoch, die sich zusammen mit Tabakbeutel, Feuerzeug und einem Aschenglas auf dem Küchentisch liegend befunden hat. George sitzt auf einem weißen Plastikgartenstuhl davor. „Okay.“ Georgina beugt sich vor, schlitzt ihre Augen, nimmt damit die Blättchenpackung ins Visier, schreibt auf und liest dann vor: „Im Vordergrund der Zeichnung auf dem Deckel steht ein Dromedar, eingerahmt von zwei sich im Hintergrund befindenden, stilisiert gezeichneten Pyramiden. Links im Bild, neben der kleineren Pyramide, Doppelpunkt, drei Palmen.“ „Ja, schön, jaja.“ George verlässt etwas genervt seinen Sitzplatz, wendet sich der Küchentür zu. „Ich versuch mal was anderes. Bleibt ihr hier. Ich bin gleich wieder da.“ Und ist aus der Küche verschwunden. „Na, da bin ich ja mal gespannt, was er vorhat.“ Khalil deutet zum Kühlschrank. „Ist da auch was drin?“ „Ja, klar! Alles, was Du Dir vorstellst.“ Schon will Khalil die Kühlschranktür öffnen. Georgina hebt ihre Beine an, wobei kurz ihre Vagina zu sehen ist. „Aber vorher genau ausdenken!“ Khalil zögert. „Und wenn das mit dem essen genau so ist wie mit dem Sex?“ „Tja, richtig! Du musst Dir auch den Geruch und den Geschmack genau vorstellen. Nimm also etwas, was Du kennst.“ Khalil nickt. „Hast Du auch Hunger?“ „Nö, danke. Ich hab zuhause gegessen.“ Khalil öffnet die Tür, greift hinein. „Kannst Dir ja nachher noch was überlegen.“ Doch dem widerspricht Georgina. „So funktioniert das nicht. Wenn Du Dir jetzt überlegt hast, was sich in dem Kühlschrank befinden soll, dann hast Du…“ Sie überlegt, saugt dabei an dem gelben Kugelschreiber. „…Den Platz schon belegt?“ versucht Khalil das Gedankenkonstrukt zu beenden, und stellt eine Pizza auf den Tisch, greift nochmals in den Kühlschrank und zaubert eine 0,5-Liter Bierdose heraus, stellt sie neben der Pizza ab, schließt die Tür. „Genau das, ja“, pflichtet Georgina ihm bei. „Der Platz ist dann von Deinen Vorstellungen belegt.“ „Wie die Pizza hier.“ Khalil hat sich auf dem Plastikstuhl niedergepflanzt und zieht die Lasche der Bierdose auf. „Brauchst Du ein Messer?“ Khalil schüttelt den Kopf und hält ein Stück der Pizza in seiner rechten Hand. „Hab ich mir als bereits geschnitten vorgestellt.“ „Ja, cool.“ Georgina runzelt die Stirn, starrt auf die leere Seite ihres Schreibblocks. „Ich glaube, George hat recht. Mit dem, was er meinte über die Genauigkeit der Aufzeichnungen…“ „Was meinte er?“ wird von Khalil nachgefragt. „Ich denke, es ist auch wichtig aufzuzeichnen, was alles in den Räumen passiert…“ „Was passiert?“ muss Khalil schon wieder nachfragen. „Na, dass Du zum Beispiel Pizza isst… und dabei Bier trinkst.“ „Willst Du auch´n Stück ab?“ „Nein, danke.“ „Oder dass wir es vielleicht gleich miteinander machen?“ fällt Khalil spontan ein, was Georginas Augen glitzern lässt. In diesem Moment kommt George zurück. „Stör ich?“ Einvernehmliches köpfeschütteln. „Ich esse gerade“, merkt Khalil an. „In den Kühlschrank kommt aber nichts mehr.“ „Bitte? Ja.“ George stellt einen grünen Kasten aus Metall auf den Tisch. An der Vorderseite hängen zwei Drähte herunter, an deren Enden sich kleine Greifer befinden. Leuchtdioden sind an dem Kasten angebracht, ein Schalter sowie zwei kleine Hebel. „Damit müsste es funktionieren.“ Georgina und Khalil betrachten das Metallkästchen. Es hat eine Kantenlänge von genau 15x10x5 Zentimeter. „Was funktionieren?“ fragt Georgina. „Unsere Gedanken zu speichern. Hier. Probier mal aus.“ Die Frau zuckt etwas zurück, lässt Khalil dann die Greifer an ihren Schläfen befestigen, schließt die Augen. Die Diode hat begonnen, blau zu leuchten. „Ich sehe Dich. An einer Werkbank stehen. Du sägst etwas zurecht, misst nach. Jetzt umwickelst Du einen Metallklotz mit Draht… Und nun lötest Du. Fügst die Platten zusammen. Betätigst einen der Hebel. Das wars…“ George nimmt ihr die Drähte ab. „Aber das ist doch“, formuliert Khalil seine Bedenken, „physikalisch gar nicht möglich…“ „Hier in unserer Traumwelt schon“, erwidert George, und hält ihm die Drähte entgegen. „Auch mal?“, doch Khalil lehnt ab, sagt, dass er etwas wahrnimmt, dem er gerne jetzt mal nachgehen möchte, und ehe nachgefragt werden kann, ist er bereits aus der Tür hinaus… …und betritt ein Schlafzimmer. Durch das Fenster sieht er den fast vollständig beleuchteten Mond. Neben dieser Lichtquelle befindet sich in dem Raum noch ein angeschalteter, in einem Einkaufswagen stehender Fernseher. Das Bild zeigt die Übertragung einer Bundestagsdebatte. Gerade spricht der Finanzminister. „Der deutsche Bundesbürger muss erkennen – wir müssen dem deutschen Bundesbürger zu erkennen geben…“ Khalils Blick fällt auf das Bett links von ihm. Er nimmt zwei schemenhafte Gestalten wahr, einen Mann und eine Frau. Sie sind beide nackt. Der Mann trägt schwarze Socken, die Frau erhebt sich und zieht lachend ihr Höschen hoch. „…dass er nicht mehr ausschließlich Forderungen an den Staat zu stellen hat, sondern andererseits…“ Khalil erkennt in der Frau Georgina – aber das ist doch nicht möglich, denkt er – und dann beschaut er die Farbe ihrer Haare, sagt „Du bist nicht Georgina!“ „…ihm auferlegte Verpflichtungen erfüllen muss, damit auch für die Zukunft unser aller Lebensstandart gesichert ist.“ „Geh mal besser wieder zu den Anderen“, hört Khalil den Mann sagen, der ebenfalls aufgestanden ist und etwas in dem auf dem Bett liegenden Bademantel sucht. „Du bist hier verkehrt gelandet.“ Da sieht Khalil, um wen es sich bei dem Mann handelt, und als dieser einen Revolver aus der Tasche des Bademantels zieht, wandelt die Frau sich um in ein Ponee mit einer seltsam erscheinenden schwarzweißen Musterung. Als Khalil sich dazu entschließt, den Raum zu verlassen, wird er noch Zeuge, wie er mit der Waffe auf den Fernseher zielt und abdrückt, das Fenster sich öffnet und das Pferd hinausspringt in die Nacht, dabei seine Mähne silbern glänzt im Licht des Mondes. „Und – wo bist Du gewesen? Was hast Du gesehen?“ „Ich habe ein Schlafzimmer betreten. Auf dem Bett lagen zwei Gestalten. Die Frau sah aus wie Du, nur dass sie blonde Haare hatte. Und der Mann… das war auch ich…“ „Gib es in den Traumaufzeichner ein“, fordert George ihn auf, doch Khalil wehrt ab. „Nein! Eigentlich hätte diese Begegnung gar nicht stattfinden dürfen, weil…“ er ringt nach Worten, die seine Überlegungen verständlich machen können. „Also ich kann meine Schwester – so nenne ich meinen zweiten Traumkörper – ohne Probleme treffen und mit ihr kommunizieren.“ „Ja, stimmt. Ihr beide wart ja zusammen in der Kneipe“, kann sich George erinnern. „Aber wir befinden uns hier auch in einem Traum“, erinnert Khalil, „was bedeutet, dass es sich bei uns ja schon um unsere Doppelgänger handelt“,vollendet George den Gedankengang. „Und wer war dann der Typ in dem Schlafzimmer?“ will Georgina wissen. In diesem Moment vernehmen sie das Klingeln eines Telefons. „Wo kommt das jetzt her?“ „Ich nehme an, aus dem Wohnzimmer.“ Die Drei begeben sich dorthin, Khalil hebt den Hörer ab. „Wer ist dort? – Ja, das ist richtig. – Ja, wir sind zu dritt…“ Er schaut zu Georgina und George. Georgina gibt ihm Zeichen, nicht ihre Namen zu nennen und auch nicht den Echtzeitaufenthaltsort. „Was? Was sagen Sie? Und woher wissen Sie das?“ Sein unruhig flackernder Blick trifft auf die fragenden Blicke von George und Georgina. „Ja. Doch. Ich vertraue Ihnen. Gut. Ich werde das mit den anderen Beiden besprechen.“ Khalil legt den Hörer zurück. „Wer war das?“ wird er von George gefragt. „Ein Mann. Seinen Namen hat er nicht genannt, und auch nicht, woher er anruft. Er sagt, dass er gespürt hat, wie versucht wird, unsere Gedankenströme zu orten, um sie zu stören und zu kontrollieren.“ „Hat er gesagt, wer das ist?“ „Er weiß es nicht, nein. Aber er sagt, dass jemand ein starkes Interesse daran hat, den Kontakt von uns zu Anderen zu verhindern.“ „Und was machen wir nun?“ Khalil weiß keinen Rat, aber George hat einen Einfall. „Wir benötigen einen Ort, von dem aus unsere Gedanken nicht ortbar sind. Wir müssen unter die Erde!“ „Wie meinst Du das?“ „Ganz einfach. Wir benötigen einen Kellerraum.“ „Ja. Gut. Begeben wir uns in einen Keller“, stimmt Khalil zu. „Und nimm Deinen Apparat mit!“